Warum Auslandsentsendungen Suchtpotenzial haben
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Wir alle waren schon einmal in einem Urlaub, aus dem wir am liebsten gar nicht wieder zurück nach Hause gekommen wären. Das Wetter war perfekt. Das Essen war wunderbar anders. Das Hotel war luxuriös. Die Menschen waren freundlich und wir fühlten uns rundum entspannt und gestärkt.
Wenn aber die Rede von Expats ist, die ihr Leben im Ausland so sehr genießen, dass sie nicht wieder heimkommen wollen, sind wir manchmal ein wenig skeptisch. Ein Urlaub ist schließlich genau deshalb so gut, weil er eine Pause von unserer Alltagsroutine bietet. Unsere Skepsis könnte dennoch eine Fehleinschätzung sein: Für immer mehr Menschen scheinen Auslandsentsendungen ein äußerst attraktives Erlebnis mit Suchtpotenzial zu sein.
Eine Auslandsentsendung bietet neue Perspektiven
Sprechen Sie mal mit jemandem, der stets nur ein und dieselbe Zeitung liest: Diese Person wird aktuelle Ereignisse nur aus einer Perspektive heraus betrachten – und diese Perspektive wird sehr wahrscheinlich mit den Ansichten des Herausgebers dieser Zeitung übereinstimmen. Um das zu überprüfen, nehmen Sie einfach mal eine beliebige Zeitung zur Hand und lesen Sie die ersten fünf Seiten. Nun nehmen Sie eine Zeitung mit entgegengesetzter politischer Gesinnung und machen das Gleiche. Oft erscheint es einem nach einem solchen Experiment, als kämen die zwei Zeitungen aus verschiedenen Welten.
Wenn wir dieses Gedankenexperiment auf unsere Lebensumwelt übertragen, lässt sich der Suchtcharakter von Auslandsentsendungen gleich besser verstehen. Wer niemals seine Heimatstadt oder sein Heimatland verlässt, dem wird es sehr viel schwerer fallen, die eigene Heimat und die lokale Bevölkerung aus einer objektiveren Perspektive zu betrachten. Man wird gewiss auch nur eine eingeschränkte Sicht auf andere Länder haben.
Möchten Sie Frankreich verstehen? Lesen Sie nicht nur darüber, sondern reisen Sie für eine Woche oder länger hin und lernen Land und Leute kennen. Lesen Sie die französische Presse und sprechen Sie mit Franzosen über das Weltgeschehen. Mit hoher Sicherheit werden Sie vollkommen andere Ansichten kennenlernen als in Ihrer Heimatstadt.
Ein Perspektivenwechsel tut jedem gut und ist auch das, was es so faszinierend macht, in einem anderen Land zu leben.
Expats sind bereit für Herausforderungen
Im Ausland zu leben, kann eine Herausforderung sein, und alle erfolgreichen Expats erlernen wohl zuerst die Kompetenz, zunächst einmal mehr zuzuhören als zu sprechen. In Ländern wie Indien, Australien und China findet man sehr schnell heraus, dass es zunächst wichtiger ist, zuzuhören und alles aufzunehmen. Die eigene Meinung ist viel weniger wichtig, als ein Verständnis für die Meinungen und Standpunkte der Menschen im Land zu entwickeln.
Über die Vereinigten Arabischen Emirate wird oft erzählt, dass die Bürokratie dort viel mehr Zeit in Anspruch nimmt und selbst die einfachsten Vorgänge schnell an den Nerven zehren. Das ist eine kulturelle Besonderheit, die in der Bedeutung hierarchischer Strukturen begründet liegt – und in der reflexhaften Angewohnheit, Entscheidungen nach oben weiter zu reichen. Solche Unterschiede sind normal, aber sie verlangen von Expats ausreichend Flexibilität, um diese Prozesse zunächst zu verstehen und dann mit ihnen umzugehen.
Wer sich wünscht, richtig in eine Kultur einzutauchen, findet diese Herausforderung eher unproblematisch und ist gerne bereit, sie anzugehen. Herausforderungen zu meistern kann süchtig machen, und das Leben im Ausland ist eine passende Droge. Eine Auslandsentsendung bereichert und bildet alle, die ihren Horizont erweitern möchten.
Herausforderungen zu meistern kann süchtig machen, und das Leben im Ausland ist eine passende Droge. Eine Auslandsentsendung bereichert und bildet alle, die ihren Horizont erweitern möchten.
Auslandsentsendungen erweitern den Horizont
Zuweilen kommen Expats auch wieder nach Hause. Entweder am Ende ihrer Karriere, wenn der Ruhestand bevorsteht, oder wenn das Heimweh so stark wird, dass es schließlich nur eine Lösung gibt: Heimkehren. Unabhängig von den Gründen für ihre Heimkehr, können „Ex-Expats“ die Welt oftmals aus einem viel umfassenderen Blickwinkel sehen und haben ein großes Einfühlungsvermögen entwickelt.
„Bevor du über jemanden urteilst, gehe eine Meile in seinen Schuhen.“ Diese Metapher stammt aus einem Gedicht aus dem späten 19. Jahrhundert und ist ein Plädoyer für Empathie. Wer in einer fremden Kultur lebt und zumindest ein Stück weit versucht, diese Kultur zu verstehen, der trägt diese Kompetenz für den Rest seines Lebens mit sich.
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Die Herausforderung einer neuen Aufgabe
Die Attraktivität einer Auslandsentsendung liegt zum großen Teil an der Verantwortung und dem Umfang der neuen Aufgabenbereiche. Entsandte sind oft sehr unabhängig und haben viel Entscheidungsfreiheit in der Gestaltung der Auslandsentsendung, zudem sind ihre Jobs oft sehr abwechslungsreich. Die Aussicht, nach Hause zu einer profanen Arbeit mit viel mehr Kontrolle zurückzukehren, macht den nächsten Auslandseinsatz noch verlockender.
Fazit
Möglicherweise kann jeder andere Gründe für das hohe Suchtpotenzial von Auslandsentsendungen angeben. Diejenigen, die die positivsten Erfahrungen gesammelt haben, hatten wahrscheinlich sehr viel Kontakt zu den Menschen und der Kultur vor Ort und haben damit nicht nur ihre Karriere gefördert, sondern ihren eigenen Horizont erweitert.
Geld, Abwechslung, neue Erfahrungen, aufregende neue Menschen sind Teil des Expat-Lebens. Was Expats jedoch im Kern dazu bringt, im Ausland bleiben zu wollen, ist ein unterbewusstes oder bewusstes Verlangen danach, die Welt mit anderen Augen zu sehen, und der Mut zur Veränderung.
Wir können endlich mit den alten Klischees aufräumen. Die Expats des 21. Jahrhunderts strecken nicht nur die Zehenspitzen in eine neue Kultur. Sie sind bereit, kopfüber hinein zu springen.